Auf die Berge, durch die Täler, quer durch alle Gegenden der Welt: Erwin Einzingers literarische Wege führen leichten Fußes über Stock und Stein.
Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist? Folgt man den Geschichten in Ein Rucksack voller Steigeisen, gehen einem die Augen auf: Heiter und kundig, leichtfüßig und doch mit gewichtigem Gepäck durchstreift Erwin Einzinger die Erde, nimmt Abzweigungen und ausgesetzte Panoramarouten. Immer mit dabei: Romane, Sagen und Legenden für die Lektüre unterwegs, und die Musik, die man sich als Soundtrack im Hintergrund vorstellen kann. Zwischen Geröllfeldern, Talschlüssen und Gletscherzungen macht er sich auf den Weg zu Orten und Menschen, die man in der Literatur selten findet.Wie kaum ein anderer versteht es Erwin Einzinger, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen - und ehe man sich's versieht, findet man sich lesend am Fuß der Ostkarpaten oder am Oberlauf des Blauen Nils wieder. Ein Buch für Weitwanderer und Bergsteigerinnen, und für alle, die das Spektakel lieber vom Lesesessel aus verfolgen!
erscheint 2023 im Verlag
JUNG UND JUNG
ISBN: [978-3-99027-276-3]
Den Abschweifungskünstler Erwin Einzinger zieht es
mit einem ,,Rucksack voller Steigeisen" ins Gebirge
Erwin Einzinger, der im Mai seinen 70er begeht, ist ein Mann der Peripherie. Das Werk dieses stillen Giganten hält sich ein wenig versteckt vor einer breiteren Leserschaft und vom Marktplatz der literarischen Eitelkeiten. Nicht dass der Autor sich bewusst am Rand positionieren würde. Sein Literaturverständnis führt ihn zwangsläufig dorthin.
Der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler hat es einmal so formuliert: "Einzinger nimmt nicht an der Autoren-Rallye teil, die zu allen Punkten gängiger Themen wie Ichverlust, Beziehungsproblematik, Krise des Intellektuellen führt. Er gehört zu jenen, die wissen, dass ernstzunehmende Literatur sich nicht durch den abgehaspelten Katalog der Konversationsthemen ausweist, sondern durch reflektierte Gestaltung."
Wer eines von Einzingers Büchern aufschlägt, darf keinen linearen Plot erwarten. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Oberösterreicher schwierige, experimentelle Literatur produzieren würde, vielmehr hat er eine eigene, fragmenthafte und doch schillernde Form des Erzählens kultiviert.
Das Werk dieses Abschweifungskünstlers, der vom Hundertsten ins Tausendste und noch weiter kommt, basiert auf Notizbüchern, in denen er auch, ja gerade die scheinbar nebensächlichsten Beobachtungen festhält. Es braucht einen bestimmten Impuls, dann durchforstet der Autor die Notizen nach brauchbarem Material zu einem Thema. Daraus entstehen Erzählbruchstücke von meist nicht mehr als einer Seite Umfang. So war es beim Meisterstück "Aus der Geschichte der Unterhaltungsmusik" (2005), und so ähnlich dürfte es sich auch beim neuen Buch "Ein Rucksack voller Steigeisen" verhalten haben, in dem es den im Kremstal lebenden Autor und passionierten Waldgänger in die Berge zieht. Das Wandern und Bergsteigen, Natur, Tier und Mensch sind die losen thematischen Fäden, die die Abfolge von Kürzestgeschichten miteinander verbinden. Ein Roman ergibt sich aus der Fülle an Bildern, Figuren, Details und oft schrägen Fakten nicht. Sei's drum!
Einzingers langjähriger Verleger Jochen Jung pflegte den Autor immer wieder anzuspornen: "Du musst eine Straße bahnen, die man weitergehen will." Darauf dieser: „Das ist das größte Problem bei meinen Schreibabenteuern. Oft geht der Text den Weg, den man überhaupt nicht erwartet."
Einzinger hat andere Trümpfe im Ärmel. Seine Texte sind so voller Welt, dass sie den Wunsch nach einer welthaltigen Literatur geradezu übererfüllen. Diesmal beginnt der Streifzug mit einer Beerdigung in heimatlichen Gefilden. Bergkameraden haben sich am Grab eines Lawinenopfers zusammengefunden. "Bayrisches Sauerkrautpathos" umflort die Worte des Trauerredners. Es sind nicht zuletzt solche Details und Wendungen, die Einzingers Texte auszeichnen. Danach geht es nach Afrika, die USA und noch weiter. Hin und wieder wendet sich Einzinger mit schalkhaften Einwürfen und poetologischen Bemerkungen an die Leser. Etwa so: "Die wirklich kostbaren Momente drängen sich in Wahrheit nur sehr selten auf. Sie zusätzlich zu polieren, ist in den meisten Fällen gar nicht nötig, denn auch das Ungeschliffene hat seinen Reiz, und manchmal ist sogar das Quietschen eines rostigen Garagentors am Rand von Kennewick ein heimliches Signal."
Der Sprung von einer allgemeinen Uberlegung zu einem konkreten, überraschenden Objekt verleiht dieser Passage eine eigentümliche Poesie. An seinen besten Stellen beginnt der Text zu leuchten oder ein wenig zu schweben. Dann wieder erinnern die zusammengetragenen Begebenheiten, die Berufe der Beteiligten und aufgelesenen Ortsnamen ein wenig an ein Kuriositätenkabinett.
Bei hastigem Genuss kann diese Prosa die Wahrnehmung überreizen. Am besten liest man nicht mehr als drei, vier Seiten auf einmal. Der Autor wird über dieses Lob nicht böse sein: "Ein Rucksack voller Steigeisen" ist erstklassige Klolektüre.
SEBASTIAN FASTHUBER